Gerade im Bereich der Freiberufler und kleinen Unternehmen macht sich ein Hochstapelei-Trend breit, der es wert ist systemisch durchleuchtet zu werden.
Ehrliche Kommunikation und vertrauenswürdige Angaben sind der Schlüssel zum Vertrauen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, Kunden und Geschäftspartnern, sowie Mitarbeitern.
Aktuell beobachte ich im Bereich der Berater, Coaches, Freiberufler und Start-Ups, dass sicch vermehrt das Hochstapelei-Syndrom breit macht. Da wird sehr großzügig auf Visitenkarten, Impressums und Namensangaben mit den Titeln „Geschäftsführer“ „Creative Director“, „CEO“, „COO“ umgegangen, die meiner Meinung nach irreführend sind.
Bei meiner letzten Neugründung „Mittelstandsfüchse“ bereiteten auch mir die Fragen, wie ich mich betiteln sollte, und welche Rechtsform meine neue Firma „Mittelstandsfüchse“ haben sollte. Schließlich war ich davor Gründerin und Geschäftsführende Gesellschafterin einer GmbH, Gründerin und Geschäftsführende Gesellschafterin einer OHG und Prokuristin von drei weiteren GmbHs, also „augenscheinlich“ wertigen Bezeichnungen, da diese auch bei offizieller Stelle, dem Handelsregister, und somit Online-Plattformen wie Northdata, eingetragen waren.
Während der Gründungsphase wurde mir oft gesagt- „nenn dich ruhig Geschäftsführerin, das macht einen guten Eindruck und ist ja nicht geschützt, die Begrifflichkeit!“
Tja, klar, die Verführung war groß, schließlich wollte ich ja professionell wirken und wertig erscheinen, und keinen beruflichen Rückschritt tätigen.
Dennoch widerstrebte sich bei mir einiges. Schließlich komme ich aus der GmbH-Welt- und da sind Geschäftsführer nun mal an formelle Normen aus dem Gesellschaftsrecht gebunden, wie die Bestellung durch die Gesellschafter, mit Geschäftsführer-Vertrag, besonderen arbeitsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen, je nach Geschäftsführer-Vertrag mit oder ohne Firmen-Anteile etc.
Ja, der Begriff ist nicht geschützt und es gibt auch die Geschäftsführung ohne Auftrag laut BGB, oder die Geschäftsführung laut Aktienrecht, oder nach HGB.
Dennoch finde ich, sollte man sich hier nicht größer und wichtiger machen als man ist.
Wenn ein Freiberufler oder eingetragener Kaufmann „nur“ allein unterwegs ist oder „noch“ unter den magischen 10 weiteren Mitarbeitern ist oder freiberufliche Partner hat, warum muss dann „Geschäftsführer“ oder „Director“ als Titel gewählt werden? Wer wird denn geführt? Und wenn die Kunden mehr im Gesellschaftsrecht unterwegs sind und bei Northdata keine Eintragungen finden, was sagt dann der Titel im Nachgang über die Professionalität und Vertrauenswürdigkeit des Geschäftspartners aus?
Warum braucht die Person den aufwertenden Titel? Für das eigene Ego oder für die Akzeptanz der Geschäftswelt? Falls letzteres zutrifft, ist die Akzeptanz nicht nachhaltiger durch Fachkompetenz, Professionalität und gute Arbeit zu erreichen?
Ich selbst finde, wir Freiberufler und Klein-Unternehmer müssen unser Licht nicht größer scheinen lassen, als wir sind, sondern eher präzise genau!
Ich plädiere zu mehr Ehrlichkeit- zu sich selbst und zur Außenwelt!
Warum geben wir oft höhere Titel oder großartig klingende englische Bezeichnungen an, als es wahrscheinlich realitätskonformer angebracht wäre?
Wie kann ich von meiner guten Arbeit selbst überzeugt sein und sicher auftreten, wenn ich dafür einen zu hoch gegriffenen Titel auf meiner Visitenkarte benötige? Belüge ich mich da nicht selbst mit, und strahle im Nachgang dann doch Unsicherheit aus?
Ich finde, wir dürfen mutig ehrlich sein sowie zu uns und unseren beruflichen aktuellen Ist-Stand stehen. Wer bewertet denn zum Schluss unsere berufliche und persönliche Wertigkeit? Hoffentlich wir selbst!
Ich jedenfalls werde immer skeptisch, wenn sich da jemand „Director“ oder „Geschäftsführer“ nennt, und es keine Eintragung ins Handelsregister gibt, oder dementsprechende Mitarbeiteranzahl im Unternehmen vorhanden ist.
Vielleicht bin ich auch nur zu streng aufgrund meiner Herkunft und meinen eigenen Glaubenssätzen. Das Thema finde ich jedenfalls systemisch sehr spannend. Ich werde bestimmt noch weiter darüber nachdenken. Auch freue mich auf offenen Austausch dazu!
Meine Arbeit als Beraterin, Trainerin und Coach ist maßgeblich von aktuellen Forschungsmethoden und Theorien aus der Betriebswirtschaftslehre, Wissensforschung und dem Change-Management geprägt. Mehr Infos zu mir und meiner Arbeit finden Sie unter www.mittelstandsfuechse.de und www.7mbusinesslounge.de